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Remiornis heberti Lemoine

Beschrieben bereits 1881 aber bis heute nahezu unbekannt, ist diese Art, soweit mir bekannt, nur anhand von Bruchstücken des Schnabels sowie einiger Wirbel und eines Fußknochens bekannt.

Der Vogel war, laut einiger Autoren, zu Lebzeiten etwa so groß wie ein Emu (Dromaius novaehollandiae (Latham)) und mag ca. 55 kg gewogen haben [3]; ich persönlich komme beim Umrechnen aber nur auf eine Rückenhöhe von etwas über 70 cm.

Die Art ist bisher nur aus Frankreich bekannt und zwar aus Ablagerungen des Oberen Paläozän, also Schichten mit einem Alter von etwa 59 bis 56 Millionen Jahren, sie scheint außerdem mit keinem anderen Ratiten, lebend oder ausgestorben, näher verwandt gewesen zu sein.

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meine neueste Rekonstruktion, wahrscheinlich mit immer noch zu kurzen Beinen

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Quellen:

[1] Victor Lemoine: Recherches sur les oiseaux fossiles des terrains tertiaires inférieurs des environs de Reims. Reims, Impr. F. Keller 1878-1881
[2] Eric Buffetaut; Delphine Angst: Stratigraphic distribution of large flightless birds in the Palaeogene of Europe and its palaeobiological and palaeogeographical implications. Earth-Science Reviews 138: 394-408. 2014
[3] Eric Buffetaut; Gaël de Ploëg: Giant birds from the uppermost Paleocene of Rivecourt (Oise, northern France). Boletim do Centro Português de Geo-História e Pré-História 2(1): 29-33. 2020
[4] Gerald Mayr: Paleogene Fossil Birds. 2nd ed. edition 2022

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bearbeitet: 22.05.2022

Paläozän – das ‚verfluchte‘ Zeitalter

Das Paläozän, das ist die Zeitperiode die unmittelbar der Kreidezeit folgt, deren Ende durch das berühmteste Massenaussterben der Erdgeschichte gekennzeichnet ist, jenes Massenaussterben dem auch sämtliche non-avialen Dinosaurier zum Opfer fielen.

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Nun, was wissen wir über die Vogelwelt dieser Zeitperiode? NICHTS! Nun ja, zumindest recht wenig.
Ich nenne das Paläozän ‚das verfluchte Zeitalter‘ da, wenngleich sehr wohl einige Überreste von Vögeln bekannt sind, so sind diese nahezu immer sehr fragmentarisch, sehr schlecht erhalten und oft genug nicht wirklich aussagekräftig … und, obendrein scheint es nahezu unmöglich zu sein irgendwelche Informationen über diese wenigen Reste zu finden.

Die meisten Vögel, die wir aus dieser Zeitperiode kennen waren wasserbewohnende Arten, das liegt vor allem daran, dass Überreste von Wasservögeln bessere Voraussetzungen zur Fossilisierung haben als Landvögel.

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So, welche Arten kennen wir denn nun überhaupt? 

Hier eine kleine Aufzählung aller mir bekannten Formen, der Einfachheit halber habe ich sie in alphabetischer Reihenfolge angeordnet.:

Anseriformes (Gänsevögel)

Conflicto antarcticus
 Tambussi et al. 
Naranbulagornis khun Zelenkov
Presbyornis isoni Olson

Cariamaformes (Seriemaartige)

Gradiornis walbeckensis Mayr
Itaboravis elaphrocnemoides Mayr et al.
Paleopsilopterus itaboraiensis Alvarenga
cf. Cariamaformes gen. & sp. ‚Templeuve, Frankreich‘

eine rätselhafte Form aus China, Qianshanornis rapax Mayr et al., gehört wohl auch hier her

cf. Charadriformes (Regenpfeiferartige)

drei sehr rätselhafte Formen, die entlang der K/T-Grenze gelebt haben:

Graculavus augustus
 Hope
Palaeotringa littoralis Marsh
Palaeotringa vagans Marsh

Coliiformes (Mausvögel)

Tsidiiyazhi abini Ksepka et al. 

eine bislang nicht beschriebene Form, MNT-11-7952 ‚Menat, Frankreich‘, erscheint mir persönlich ebenfalls sehr mausvogelartig

Gaviiformes (Seetaucher) 

cf. Colymbiculus sp. ‚Templeuve, Frankreich‘

Gastornithiformes (ausgestorbene Familie)

Gastornis russelli Martin
Gastornis sp. ‚Louvois, Frankreich‘, [2016]
Gastornis sp. ‚Maret, Belgien‘

Gruiformes (Kranichvögel) 

Walbeckornis creber Mayr
Wanshuina lii Hou 
cf. Ralloidea gen. & sp. ‚Maret, Belgien‘
cf. Songziidae gen. & sp. ‚Menat, Frankreich‘

Leptosomatiformes (Kurole)

cf. Leptosomatiformes gen. & sp. ‚Templeuve, Frankreich‘

Lithornithiformes (ausgestorbene Familie):

Fissuravis weigelti Mayr
Lithornis celetius Houde 
Lithornithidae gen. & sp. ‚Maret, Belgien‘
Lithornithidae gen. & sp. ‚Templeuve, Frankreich‘

Odontopterygiformes (ausgestorbene Familie)

Pelagornithidae gen. & sp. ‚Templeuve, Frankreich‘

Phaethornithiformes (Tropikvögel)

Lithoptila abdounensis Bourdon, E. et al.
Novacaesareala hungerfordi Parris & Hope 

sowie mindestens eine bislang noch unbeschriebe Form aus Neuseeland

Procellariiformes (Röhrennasen)

Tytthostonyx glauconiticus Olson & Parris (?)

Psittaciformes (Papageienvögel)

Calcardea junnei Gingerich 
Halcyornithidae/Messelasturidae gen. & sp. ‚Menat, Frankreich‘

Sphenisciformes (Pinguine)

Crossvallia unienwillia Tambussi et al.
Kumimanu biceae Mayr
Kupoupou stilwelli Blokland, Reid, Worthy, Tennyson, Clarke & Scofield
Muriwaimanu tuatahi Ando, Jones & Fordyce
Sequiwaimanu rosieae Mayr et al.
Waimanu manneringi Slack, Jones, Ando, Harrison, Fordyce, Arnason & Penny

Strigiformes (Eulenvögel)

Berruornis orbisantiqui Mourer-Chauviré
Ogygoptynx wetmorei Rich & Bohaska

cf. Struthioniformes (Strauße)

Remiornis heberti Lemoine

Vegaviiformes (ausgestorbene Familie)

Australornis lovei Mayr & Scofield

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Zum Schluß folgt noch der seltsamste Vogel in dieser Liste, und einer der am wenigsten bekannten.: 

Qinornis paleocenica Xue aus China scheint ein Überbleibsel der kreidezeitlichen non-Neornithes zu sein und würde damit außerhalb aller noch existierenden Vogelarten stehen, da diese durchweg zu den Neornithes gehören.

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Nach einigen Recherchen habe ich herausgefunden das der angebliche Flamingoverwandte Scaniornis lundgreni Dames nur anhand von drei Knochenteilen bekannt ist, die nicht wirklich irgendeiner Vogelgruppe zugeordnet werden können und daher mittlerweile als nomen dubium gelten. Der fossile Nandu Diogenornis fragilis Alvarenga sowie der spechtartige Eutreptodactylus itaboraiensis Baird & Vickers-Rich stammen nicht aus dem Paläozän sondern aus dem Untereozän, ich habe die Arten daher aus der Auflistung entfernt. [5]

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Quellen:

[1] Cécile Mourer-Chauviré; Estelle Bourdon: The Gastornis (Aves, Gastornithidae) from the Late Paleocene of Louvois (Marne, France). Swiss Journal of Palaeontology 135(2): 327-341. 2016
[2] Jacob C. Blokland; Catherine M. Reid; Trevor H. Worthy; Alan J. D. Tennyson; Julia A. Clarke & R. Paul Scofield: Chatham Island Paleocene fossils provide insight into the palaeobiology, evolution, and diversity of early penguins (Aves, Sphenisciformes). Palaeontologia Electronica 22.3.78: 1-92. 2019
[3] Gerald Mayr; Thierry Smith: New Paleocene bird from the North Sea Basin in Belgium and france. Geologica Belgica 22(1-2): 35-46. 2019
[4] Gerald Mayr; Sophie Hervet; Eric Buffetaut: On the diverse and widely ignored Paleocene avifauna of Menat (Puy-de-Dôme, France): new taxonomic records and unusual soft tissue preservation. Geological Magazine 156(03): 1-13. 2019
[5] Mariana B. J. Picasso; Carolina Acosta Hospitaleche; María C. Mosto: An overview and update of South American and Antarctic fossil Rheidae and putative Ratitae (Aves, Palaeognathae). Journal of South American Earth Sciences. https://doi.org/10.1016/j.jsames.2022.103731. 2022

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bearbeitet: 11.02.2022

Graculavus augustus Hope

Dieser immer noch recht rätselhafte Vogel, auch bekannt als “Ornithurine C”, wird in einer Studie aus dem Jahr 2011 erwähnt, die sich mit dem Aussterben mehrerer Vogel-Kladen am Ende der Kreidezeit befasst. [1]  

Die Art scheint anhand von mindestens vier Coracoiden bzw. Überresten davon bekannt zu sein, die als “SDSM 64281A”, “SDSM 64281B”, “UCMP 175251” und “MOR 2918” bezeichnet werden und die überwiegend aus Schichten der späten Kreidezeit stammen, aber eben auch aus Schichten, die dem untersten Paläozän zugeordnet werden können.:

One of these species, Ornithurine C, is known from the Paleocene and therefore represents the only Maastrichtian bird known to cross the K–Pg boundary.” [1]

Übersetzung:

Eine dieser Arten, Ornithurine C, ist aus dem Paläozän bekannt und stellt daher den einzigen Maastricht-Vogel dar, von dem bekannt ist, dass er die K/T-Grenze überschreitet.”  

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Laut den Autoren könnte diese Art mit einer Art identisch sein, die als Graculavus augustus Hope bezeichnet wurde, ein Vogel, der anscheinend zu den Charadriiformes gehört, sich aber sehr von allen heute lebenden charadriiformen Vögeln unterschied, zu Lebzeiten muss er an eine Art Riesen-Brachvogel oder -Triel erinnert haben. [2]

Die Art ist tatsächlich die einzige bisher bekannte Vogelart, der es gelungen ist das Massensterben am Ende der Kreidezeit zu überleben!

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Rekonstruktion, da diese Formen allesamt nur anhand fragmentarischer Knochenreste bekannt sind, ist auch eine perfekte Rekonstruktion nur bedingt möglich

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Quellen:

[1] Nicholas R. Longrich; Tim Tokaryk; Daniel J. Field: Mass extinction of birds at the Cretaceous-Paleogene (K-Pg) boundary. PNAS 108 (37) 15253-15257. 2011 
[2] Nicholas R. Longrich; Tim Tokaryk; Daniel J. Field: Mass extinction of birds at the Cretaceous-Paleogene (K-Pg) boundary. PNAS 108 (37) 15253-15257. 2011. Supplementary Information

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bearbeitet: 12.04.2021

Qinornis paleocenica Xue

Mit dem Ende der Kreidezeit starben sämtliche so genannten Nichtvogeldinosaurier (was für ein Wortungetüm) aus, also alles was man landläufig als Dinosaurier bezeichnet aber eben auch sämtliche Vögel, die nicht der einzigen heute noch existierenden Gruppe der Vögel, den Neornithes, zugeordnet werden können.

… oder doch nicht?

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Qinornis paleocenica ist anhand einiger Reste aus dem unteren oder mittleren Paläozän (vor etwa 61 Millionen Jahren) bekannt, die von einem einzelnen Individuum stammen: ein nahezu vollständiger linker Tibiotarsus, Teile des rechten Tibiotarsus sowie ein nahezu vollständiger rechter Tarsometatarsus mit fast allen Zehenknochen. [1]

Diese fossilen Knochen weisen einige Merkmale auf, die man bei heutigen Vögeln so nicht mehr findet, wohl aber bei einigen aus der Kreidezeit; vor allem ist der Tarsometatarsus nicht vollständig verschmolzen, er weist noch einige Riefen auf, wie man sie heutzutage nur noch bei juvenilen, nicht ausgewachsenen Vögeln findet, nicht aber mehr bei erwachsenen.

Laut einiger Experten für fossile Vögel handelt es sich bei dem Fossil aber durchaus um einen ausgewachsenen Vogel, und Qinornis paleocenica mag einer der allerletzten Vertreter einer der vielen kreidezeitlichen Vogelformen sein, die man zwar der Klade Ornithurae zuordnen kann, zu der auch die Neornithes gehören, die aber trotzdem außerhalb der Neornithes stehen. [2]

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Ich bin mir nicht sicher, ob die Art wirklich nur drei Zehen hatte, das Fossil bzw. dessen Beschreibung umfasst jedenfalls nur drei.

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Referenzen:

[1] X. Xue: Qinornis paleocenica – a Paleocene bird discovered in China. Courier Forschungsinstitut Senckenberg 181: 89-93. 1995
[2] Gerald Mayr: The birds from the Paleocene fissure filling of Walbeck (Germany). Journal of Vertebrate Paleontology, 27(2): 394-408. 2007

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bearbeitet: 01.09.2020

Remiornis

Remiornis heberti Lemoine, ein rätselhafter Ratit aus dem oberen Paläozän, der wahrscheinlich nicht näher mit den heutigen Straußen verwandt war.  

Rekonstruktion; oder eher eine Skizze einer Rekonstruktion 

Der Vogel ähnelte wohl am ehesten einem plumpen Tinamu und war wohl flugunfähig.  

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bearbeitet: 25.12.2019

Fossile Vögel aus dem James Ross-Basin in der Westantarktis

Es dürfte schon aufgefallen sein, dass ich ein bisschen von den Vögeln des Paläozän besessen bin, auch weil wir jede Menge gar nichts über sie wissen, besonders über jene aus dem frühen Paläozän, dem Beginn der “T-Zeit”, der Zeit unmittelbar nach dem K T-Grenze.  

Nun, es gibt eine neue Veröffentlichung, die einen Überblick über die Vögel gibt, die genau zu dieser Zeit existierten, an der K/T-Grenze … auf dem Kontinent der Antarktis, um genauer zu sein, aber auch über diese Zeit hinaus bis zum Oligozän. [1]  

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Ich habe diese Veröffentlichung noch nicht vollständig gelesen, aber da fast alle Vogelfossilien aus diesem Gebiet auf einzelne Knochen oder manchmal Teilskelette beschränkt sind, wirft es nicht so viel neues Licht auf die vorherigen Aufzeichnungen.

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Quelle:

[1] Carolina Acosta Hospitaleche; Piotr Jadwiszczak; Julia A. Clarke; Marcos Cenizo: The fossil record of birds from the James Ross Basin, West Antarctica. Advances in Polar science 30(3): 250-272. 2019

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bearbeitet: 25.07.2019

MNT-11-7952

MNT-11-7952 ist ein bemerkenswertes Fossil eines rätselhaften Vogels mit einer außergewöhnlichen Erhaltung; Abdrücke der erhaltenen Schwanzfedern weisen einen bläulich grauen Farbton auf, die Beine und Füße zeigen noch Spuren ihres Weichgewebes. 

Dies ist jedoch alles, was bisher bekannt ist. Die beiden Platten enthalten nichts als den Arsch, sorry, den Rumpf, die Beine und die Schwanzfedern.  

Die Federn sind sehr lang und schmal und erinnern an die Schwanzfedern der rezenten Mausvögel (Coliiformes). Die Füße scheinen jedoch anisodaktyl (drei Zehen nach vorn, eine nach hinten gerichtet) zu sein, im Gegensatz zu allen bekannten Mausvögeln, ausgestorben oder noch lebend.  

Skizze des gesamten Fossils (ich habe einige der Federn um das Knie des linken Beins vergessen)
Skizze des linken Beins

Das Fossil stammt aus dem mittleren Paläozän, ist also 60 bis 61 Millionen Jahre alt, und meiner Meinung nach könnte es sich tatsächlich um einen coliiformen Vogel handeln.

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Hier ist ein kleiner skizzenhafter Versuch, diesen Vogel zu rekonstruieren, der, einschließlich seiner fast 20 cm langen Schwanzfedern, möglicherweise eine Gesamtlänge von ca. 34 cm erreicht haben dürfte, was sehr gut im Größenbereich moderner Mausvögel liegt!

Wie dieser Vogel ausgesehen haben mag, fast wie ein moderner Mausvogel, aber mit proportional etwas kürzeren Schwanzfedern 

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Quelle:

[1] Gerald Mayr; Sophie Hervet; Eric Buffetaut: On the diverse and widely ignored Paleocene avifauna of Menat (Puy-de-Dôme, France): new taxonomic records and unusual soft tissue preservation. Geological Magazine: 1-13. 2018

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bearbeitet: 24.07.2019

Neue paläozäne Vögel

Ein neuer wissenschaftlicher Bericht [1] wurde gerade veröffentlicht, in dem mehrere neue Vogelreste beschrieben werden, leider ohne eine Art zu beschreiben, da diese Überreste einfach zu fragmentarisch sind. Die Überreste selbst stammen aus dem mittleren Paläozän Belgiens und aus dem späten Paläozän Frankreichs.  

Es gibt einen sehr kleinen Gastornis sp., einen Lithornithiden, einen Ralloiden und einen nicht zuweisbaren „höheren Landvogel“, alle aus Belgien, und es gibt einen weiteren Lithornithiden, einen Pelagornithiden, einen möglichen Leptosomatiformen und einen wahrscheinlichen Cariamaformen, alle aus Frankreich.  

Nun, und das ist eigentlich auch schon fast alles.

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Quelle:

[1] Gerald Mayr; Thierry Smith: New Paleocene bird fossils from the North Sea Basin in Belgium and France. Geologica Belgica 22(1-2): 35-46. 2019

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bearbeitet: 21.07.2019