Im Moment beschäftige ich mich mit den Bermudas, einer der entlegensten Insel(gruppe)n und auch eine der Regionen über die nicht nur ich nicht viel weiß ….
Die Bermudas waren einst eine einzige, große Insel; durch den immer wieder ansteigenden und abfallenden Meeresspiegel während des Pleistozän ist die Landmasse aber immer wieder mehr oder weniger vollständig überflutet worden, was einerseits zur Entstehung – andererseits aber auch immer wieder zum Aussterben vieler endemischer Arten geführt hat. Vermutlich haben aber viele der einheimischen Vogelarten viel länger überlebt als allgemein gedacht und sind erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts nach der Ankunft der ersten menschlichen Siedler ausgerottet worden.
Das kann man den wenigen zeitgenössischen Berichten entnehmen, wenn man diese denn zu entziffern vermag. 🙂
… ja ja, zeitgenössische Beschreibungen … diese hier stammt von Captain John Smith (derselbe, der in der unfassbar verfälschten Geschichte um die Powhatan-‘Häuptlings’tochter Amonute, besser bekannt als Pocahontas, eine zentrale Rolle spielt) und wurde im Jahr 1623 niedergeschrieben.:
“Birds.
Neither hath the aire for her part been wanting with due supplies of many sorts of Fowles, as the gray and white Hearne, the gray and greene Plover, some wilde Ducks and Malards, Coots and Red-shankes, Sea-wigions, Gray-bitterns, Cormorants, numbers of small Birds like Sparrowes and Robins, which have lately beene destroyed by the wilde Cats, Wood-pickars, very many Crowes, which since this Plantation are kild, the rest fled or seldome seene except in the most uninhabited places, from whence they are observed to take their flight about sun set, directing their course towards the North-west, which makes many coniecture there are some more Ilands not far off that way. Sometimes are also seene Falcons & Jar-falcons, Ospraies, a Bird like a Hobby, but because they come seldome, they are held but as passengers; but above all these, most deserving observation and respect are those two sorts of Birds, the one for the tune of his voice, the other for the effect, called the Cahow, and Egge bird, which on the first of May, a day constantly observed, fall a laying infinite store of Eggs neere as big as Hens, upon certaine small sandie baies especially in Coupers Ile; and although men sit downe amongst them when hundreds have bin gathered in a morning, yet there is hath stayed amongst them till they have gathered as many more: they continue this course till Midsummer, and so tame & feareles, you must thrust them off from their Eggs with your hand; then they grow so faint with laying, they suffer them to breed & take infinite numbers of their young to eat, which are very excellent meat.” [1]
Ich habe versucht, dieses etwas kauderwelschige Englisch ins Deutsche zu übertragen, direkt übersetzen lässt sich das leider nicht immer alles.:
“Vögel.
Weder hat die Luft ihrerseits die richtige Versorgung mit vielen Arten von Geflügel verfehlt, wie dem grau-weißen Reiher [?], dem grau-grünen Regenpfeifer, einigen wilden Enten und Stockenten, Blässhühnern und Rotschenkeln, Meerenten [?], Graudommeln, Kormorane, eine Anzahl kleiner Vögel wie Spatzen und Fliegenschnäpper, die in letzter Zeit von den wilden Katzen vernichtet wurden, Spechten und sehr vielen Krähen, die seit der [Anlage der] Plantage getötet wurden, der Rest floh oder wird selten gesehen, außer an den unbewohntesten Plätzen, von wo aus beobachtet wird, dass sie ihren Flug gegen Sonnenuntergang antreten und ihren Kurs in Richtung Nordwesten richten, was viele Vermutungen zulässt, dass es einige weitere Inseln gibt, die nicht weit von diesem Weg entfernt sind. Manchmal werden auch Falken gesehen & Jar-Falken [?],Fischadler, ein Vogel wie ein großer Falke, aber weil sie selten kommen, werden sie nur für Besucher gehalten; vor allem aber verdienen diese beiden Arten von Vögeln Beachtung und Respekt, die eine für die Melodie seiner Stimme, die andere für sein Wirken, genannt [werden sie] Cahow, und Eier-Vogel, die am Ersten des Mai, einem stets beobachteten Tag, einen unendlichen Vorrat an Eiern, fast groß wie Hühner[eier], an bestimmte kleinen Sandküsten legen, besonders auf Coopers Island [seit den 1940ern künstlich mit St David’s Island verbunden]; und obwohl Männer unter ihnen sitzen, wenn sich an einem Morgen Hunderte versammelt haben, so bleiben sie doch unter ihnen, bis sie sich noch viele mehr versammelt haben: Sie setzen dies bis Mittsommer fort, und so zahm und angstlos, Du musst sie mit der Hand von ihren Eiern schieben, dann sind sie so schwach vom Legen, dass sie es nicht schaffen sie auszubrüten & [die Menschen] nehmen unendlich viele ihrer Jungen zum Essen, die sehr gutes Fleisch sind.”
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Viele der hier aufgezählten Vögel lassen sich identifizieren: der ‘grau-weiße Reiher’ ist vermutlich der Kanada-Reiher (Ardea herodias L.), bei den Enten, Stockenten und Meerenten handelt es sich ziemlich wahrscheinlich um verschiedene Wintergäste, wie sie auch heute noch auftreten, die Blässhühner dürften Amerikanische Blässhühner (Fulica americana Gmelin) sein, die Kormorane sind sicher Ohrenscharben (Phalacrocorax auritus (Lesson)); bei den ‘Fliegenschnäppern’ handelt es sich mit einiger Sicherheit um Bermuda-Weißaugenvireos (Vireo griseus ssp. bermudianus Bangs & Bradlee), die einzige noch existierende endemische Vogelform der Inseln.
Einige, wie der ‘grau-grüne Regenpfeifer’ oder der ‘Rotschenkel’ lassen sich nicht wirklich identifizieren (zumindest aber handelt es sich bei letzterem mit ziemlicher Sicherheit nicht um den eigentlichen Rotschenkel (Tringa totanus (L.))); auch die Falken lassen sich nicht eindeutig identifizieren, da einige Arten immer mal wieder als Zugvögel auf den Bermudas auftauchen.
Mindestens drei der hier augezählten Vögel existieren heute nicht mehr, die ‘Graudommeln’, welche ziemlich sicher Bermuda-Krabbenreiher (Nyctanassa carcinocatactes Olson & Wingate) waren, die ‘Spatzen’, die wohl Bermuda-Grundrötel (Pipilo naufragum Olson & Wingate) waren und die Spechte, die wiederum Bermuda-Goldspechte (Colaptes oceanicus Olson) gewesen sein dürften.
All diese Arten wurden ausschließlich anhand von Knochenfunden beschrieben und zwar 2006, 2006 und 2013. [2][3][4]
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Das größte Rätsel sind die hier erwähnten sehr vielen Krähen, denn davon gibt es auf den Inseln auch heute noch sehr viele, und zwar Amerikanerkrähen (Corvus brachyrhynchos Brehm), diese gehen jedoch nachgewiesenermaßen auf zwei Vögel zurück, die 1838 als Stubenvögel auf die Inseln gebracht worden waren.
Das bedeutet, dass es auf den Bermudas einst auch eine einheimische Krähenart gegeben haben muss, und dass diese obendrein auch noch sehr zahlreich gewesen sein muss.
Diese Form wurde offenbar von den ersten Siedlern ausgerottet, die die Krähen als Landwirtschaftsschädlinge betrachteten – scheinbar wiederholt sich die Geschichte nun, denn auch die heutzutage auf den Inseln lebenden Amerikanerkrähen werden als Schädlinge angesehen und verfolgt.
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Referenzen:
[1] John Smith: The Generall Historie of Virginia, New-England, and the Summer Isles: with the Names of the Adventurers, Planters, and Governours from their first beginning, An: 1584. to this present 1624. With the Procedings of Those Severall Colonies and the Accidents that befell them in all their Journyes and Discoveries. Also the Maps and Descriptions of all those Countryes, their Commodities, people, Government, Customes, and Religion yet knowne. Divided into Sixe Bookes. By Captaine Iohn Smith, sometymes Governour in those Countryes & Admirall of New England. London: printed by I. D. and I. H. for Michael Sparkes 1624
[2] Storrs L. Olson; D. B. Wingate: A New Species of Night-heron (Ardeidae: Nyctanassa) from Quaternary Deposits on Bermuda. Proceedings of the Biological Society of Washington 119(2): 326-337. 2006
[3] Storrs L. Olson; David B. Wingate: A new species of towhee (Aves: Emberizidae: Pipilo) from Quaternary deposits on Bermuda. Proceedings of the Biological Society of Washington 125(1): 85–96. 2012
[4] Storrs L. Olson: Fossil woodpeckers from Bermuda with the description of a new species of Colaptes (Aves: Picidae). Proceedings of the Biological Society of Washington 126(1): 17–24. 2013
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bearbeitet: 05.11.2020